Im Vergleich zum absatzstarken Vorjahr konnte der Velohandel im ersten Halbjahr 2021 nochmals markant zulegen. Die E-Bike-Importe stiegen um 16,5 Prozent, die der Fahrräder um 8,9 Prozent. Auch die Exporte legten deutlich zu. Unklar ist jedoch, wie sich die Situation im zweiten Halbjahr und im nächsten Jahr entwickeln wird. Einige Fabriken müssen ihre Produktion bereits drosseln oder vorübergehend ganz einstellen, weil Velobestandteile aus Fernost fehlen.

Derart lange Schlechtwetterperioden, wie sie die Schweiz im Mai und Juni erlebt hat, haben in der Vergangenheit jeweils zu happigen Absatz- und Umsatzeinbrüchen in der Zweiradbranche geführt. Nicht so im ersten Halbjahr 2021: Der ausgebliebene Frühling und Frühsommer, der auch das Kaufinteresse der Endkonsumenten dämpfte, wurde im Fahrradhandel dazu genutzt, um den Pendenzenberg von Bestellungen (teils aus dem Vorjahr) und Reparaturen abzuarbeiten. Das spiegelt sich auch in den Zahlen der Zollverwaltung, die deutliche Zuwachsraten beim Fahrradimport und -export ausweisen. In absoluten Zahlen stieg der E-Bike-Import im ersten Halbjahr von 95`416 auf 111`105 Stück – so viel wie im ganzen Jahr 2018. Bei den Fahrrädern wuchs die Zahl von 186`404 auf 200`861 Einheiten. In den Export gingen 37`000 E-Bikes (+15,6%) und 35`000 Velos (+29,6%).

Die Zahlen belegen, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Ware an den Fachhandel ausgeliefert wurde. Von einer «generellen Veloknappheit» kann also keineswegs die Rede sein. Punktuell kommt es aber nach wie vor zu Lieferengpässen. Das fordert eine gewisse Flexibilität aller Beteiligten. Endkunden sind gut beraten, ihren E-Bike- oder Velokauf zeitig mit dem Händler ihres Vertrauens zu planen oder sich gleich im Laden für ein verfügbares Modell zu entscheiden.

Besonders gefordert sind derzeit die Fahrradhersteller, die alles daransetzen, um die Nachfrage zu befriedigen. Dabei müssen sie sich mit länger werdenden Vorbestellungszeiten arrangieren. Fahrradkomponentenhersteller wie Shimano, Sram, DT Swiss, Suntour, Schwalbe, Maxxis und Fox, die Bremsen, Schaltungen, Federungen, Räder und Reifen herstellen, splitten ihre Produktion, damit nicht der gesamte Markt wegen ein paar Grosskunden zum Erliegen kommt. Der Löwenanteil geht in den Erstausrüstermarkt zu den Fahrradherstellern. Etwa 10 bis 25 Prozent des Outputs werden direkt über den Handel in den Verkauf geliefert bzw. zum Fahrradhändler und sind für Reparaturen, Instandhaltung und zum Nachrüsten bestimmt.  

Mit der Corona-Pandemie hat die weltweite Nachfrage vor allem auf dem Erstausrüstermarkt stark zugenommen. In den Ländern Südostasiens, dem Sitz zahlreicher wichtiger Fahrradfabriken und -zulieferer, ist die Seuche jedoch noch nicht überstanden. In Malaysia beispielsweise wurde die Fabrik von Komponentenmarktleaderin Shimano von Mitte Juni bis Mitte Juli komplett geschlossen, nachdem die Produktionskapazität bereits zuvor auf 60 Prozent reduziert werden musste.

Von den Corona-Massnahmen und Unwettern empfindlich gestört werden nach wie vor auch die Lieferketten. Es fehlt an Packmaterial, Containern, Fracht- und Hafenkapazitäten, da der Betrieb in einigen grossen Containerhäfen Asiens ebenfalls stark eingeschränkt ist. Die Folgen sind deutlich gestiegene Transportkosten und ungewisse Liefertermine. Das hat dazu geführt, dass zum Beispiel Flyer erstmals in der Firmengeschichte und trotz voller Auftragsbücher diesen Sommer zwei Wochen Betriebsferien machen musste. Der E-Bike-Pionier aus Huttwil ist nicht das einzige Unternehmen, das wegen fehlender Teile die Montage vorübergehend stillgelegt hat.

Erfahrungsgemäss folgt auf derart extreme Marktschwankungen stets eine Beruhigung. Die Branchenteilnehmer rechnen damit, auch 2022 noch stärker gefordert zu sein. Ab 2023 wird eine Konsolidierung auf hohem Niveau erwartet.  

5. August 2021